Gleichzeitig eingestellte Flugmodi, die sich gegenseitig ausschließen – neues, auffälliges Procedere zur Überprüfung der Funktion des Notfallcodes an der Cockpittür
Relevante Daten eines Flugzeuges werden auf dem Cockpit Voice Recorder (CVR) und dem Flight Data Recorder (FDR) gespeichert. Auf dem Cockpit Voice Recorder werden die Kommunikation der Piloten, sowie alle Geräusche im Cockpit und auf dem Flight Data Recorder physikalische Daten, wie Geschwindigkeit, Flughöhe, etc., aber auch Einstelldaten am Autopiloten-Bedienpanel FCU (Flight Control Unit), dokumentiert.
Die Recorder der verunglückten Germanwings Maschine wurden zeitverzögert geborgen und die Daten ausgelesen. Graphische Auswertungen des Flight Data Recorders sind in der französischen Ermittlungsakte dokumentiert. Luftfahrtexperten und Piloten haben die graphischen Darstellungen des Flight Data Recorders untersucht und auf Plausibiltät überprüft. Dabei gibt es eine auffällige Anomalie bei verschiedenen Parametern, siehe beispielsweise nachfolgender Ausschnitt aus der französischen Ermittlungsakte:
Objektiver_Befund_franz_Orginal_Band_03_Blatt 803-1202 (HA 00924)
Die Graphen zeigen die beiden automatischen Flug-Modi DES (Managed Descent) und OPDES (Open Descent). Es ist ersichtlich , dass gleichzeitig während des Sinkfluges die beiden automatischen Flug-Modi DES, (siehe oberer Graph) und OPDES, (siehe unterer Graph), aktiv gewesen sein sollen. Wie mehrere Airbus A320 Piloten unabhängig voneinander bestätigten, ist diese Konstellation technisch vollkommen ausgeschlossen. Beim Open Decent (OPDES) muss der Altitude Knopf, Verstellknopf für die Flughöhe, herausgezogen werden. Bei der Einstellung Managed Decent muss der Altitude Knopf (also der selbe Knopf), hineingedrückt werden. Wenn der Altitude Knopf hineingedrückt wird, wird automatisch der andere Modus deaktiviert. Somit ist vollkommen ausgeschlossen, dass beide Einstellmodi gleichzeitig aktiv gewesen sein können.
Ein weiteres Beispiel für eine Anomalie findet sich bei der Aufzeichnung der Modi CLB (Managed Climb) und OPCLB (Open Climb), siehe nachfolgender Ausschnitt aus der französischen Ermittlungsakte:
Objektiver_Befund_franz_Orginal_Band_03_Blatt 803-1202 (HA 00923)
Gemäss der graphischen Darstellung sind diese ebenfalls gleichzeitg im Zeitraum von ca. 09:19 bis 09:24 Uhr aktiv gewesen. Das ist ebenfalls vollkommen ausgeschlossen. Open Climb bedeutet, dass die Triebwerke mit maximalem Schub für den Steigflug laufen und die Geschwindigkeit vom Piloten vorgewählt wurde. Bei dem Modus Managed Climb, wird ein Geschwindigkeits- und Höhenprofil abgeflogen, welches vorher im Flight Management System hinterlegt wurde. Open Climb wird durch Ziehen des Altitude Knopfes ausgelöst und Managed Climb durch ein Hineindrücken des Altitude Knopfes. Wenn der Altitude Knopf hineingedrückt wird, wird automatisch der andere Modus deaktiviert. Somit ist auch hier vollkommen ausgeschlossen, dass beide Einstellmodi gleichzeitig aktiv gewesen sein können. Anzumerken ist, dass kurz nach dem Start, (siehe Kurvenverlauf um ca. 09:02 Uhr), nur die Funktion Managed Climb als aktiviert aufgezeichnet wurde und nicht gleichzeitg beide Modi. Dies entspricht der korrekten Funktionsweise und somit auch der Datenaufzeichnung.
Es gibt aber auch ein Beispiel, wo Airbus und Lufthansa nach dem Germanwings Absturz offensichtlich aktiv geworden sind und Konsequenzen gezogen haben. Es handelt sich dabei um die Überprüfung der Funktion des Keypad für das Öffnen der Cockpittür. Seit geraumer Zeit muss bei der täglichen Inbetriebnahme des Flugzeuges das Keypad der Cockpittür und die ordnungsgemässe Funktion des Cockpittür-Verriegelungssystems durch die Piloten mittels Eingabe des Notfallcodes überprüft werden.
Kurz nach dem Unfall der Maschine gab es Hinweise aus Germanwings-Kreisen, dass das Keypad der verunglückten Germanwings Maschine bereits zu einem früheren Zeitpunkt einmal eine Fehlfunktion aufwies und zwar beim Versuch die unbeabsichtigt zugefallene Cockpittür am Boden durch Eingabe des Notfallcodes zu öffnen. Die Cockpittür ließ sich, nach Eingabe des Notfallcodes, nicht öffnen. Dies war dann nur unter Zuhilfenahme der Lufthansa-Technik möglich. Dieser Umstand wurde von Herrn van Beveren persönlich dem BEA, bereits am 28.03.2015 im Rahmen einer Anfrage, die er damals in seiner Eigenschaft als Fachjournalist an die Untersuchungsbehörde BEA stellte, sowie in einem ausführichen Telefonat mit der Behördensprecherin Martine Del Bono mitgeteilt. Es erfolgte daraufhin aber keine Reaktion bzw. Einleitung einer Untersuchung (siehe Link, Seite 98).
Bisher wurde die ordnungsgemässe Funktion des Notfallcodes nur durch die Wartungstechniker der Lufthansa Technik und nur alle 12.000 Flugstunden verfahrensmässig überprüft.
Aus den Cockpit Voice Recorder Aufzeichnungen ist nicht ersichtlich, dass der Kapitän den Notfallcode eingegben hat.
Ebensowenig wurde niemals aufgezeichnet bzw. dokumentiert, dass die Cockpittür seit dem Start in Barcelona bis zur Kollision in den Bergen jemals verriegelt wurde.
siehe auch Artikel:
Abschliessend bleibt die Frage bestehen, warum die fragwürdigen Betriebszustände der verunglückten Germanwings Maschine nicht ausreichend untersucht und aufgeklärt wurden, um gegebenfalls definitiv auszuschliessen, dass diese Sachverhalte zum Unglück beigetragen haben könnten?
L.U.
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